Dem Weihnachtsfest auf der Spur
Alle Jahre wieder kommt das Christuskind... und mit ihm Weihnachtsmann, fliegende Rentiere und Elfen. Viele unserer liebsten Festtagesikonen und -traditionen, vom dicken Mann in Rot bis zum Tannenbaum, haben mit der biblischen Geschichte, auf der das Fest beruht, nur wenig zu tun. Doch woher kommen sie dann? Wir sind dem Weihnachtszauber auf die Spur gegangen.
Adventskränze, Weihnachtsbäume, Christbaumkugeln. Alles Traditionen, die für die meisten Deutschen genauso in die Weihnachtszeit gehören wie der kalte Wind. Letzteres kommt natürlich vom Wetter, doch der Rest ist schwieriger zu erklären. Besonders da, wo der Bezug zur biblischen Geschichte nicht da ist.
"Sicher ist, dass viele Traditionen, die wir heute ganz eng mit Weihnachten verbinden, gar nicht so christlich sind", erläutert Markus Schoch, der evangelischer Prälat in Reutlingen. "Sondern dass es viele heidnische Traditionen sind, die dann sozusagen in das christliche fest integriert wurden. Wie zum Beispiel der Weihnachtsbaum, den wir hier in unseren Kirchen und in vielen unserer Häuser sehen."
Dr. Karin Bürkert, Kulturwissenschaftlerin des Ludwig-Uhland-Instituts an der Universität Tübingen, konnte uns mehr zu Weihnachtsbaum und Co. verraten.
"Das Immergrün, das ist quasi schon ein vorchristliches Symbol für das immerwährende Leben. Die Tanne, der Tannenzweig oder die Thuja gilt auch als so ein immergrünes Gewächs, das eben Leben und Fruchtbarkeit symbolisiert."
Trotzdem ist der Weihnachtsbaum heute relativ unkontrovers in der christlichen Tradition. Nicht nur in Eigenheimen, sondern auch in Kirchen ist er zu finden, darunter auch Prälat Schoch's Marienkirche.
"Ich glaub das Christentum ist immer da stark gewesen, wo es Traditionen aufgenommen hat und neu interpretiert hat. Das ist glaub ich eine der Stärken des Christentums. Insofern ist es wichtig, welche Symbolik wir diesen Dingen geben."
Schoch verbindet die Weihnachtstanne mit dem biblischen Baum der Erkenntnis und die Christbaumkugeln mit seinen Früchten. Seit der Geburt Jesu stünde das Paradies den Menschen wieder offen; daran soll der Baum an Weihnachten erinnern. Doch nicht alles lässt sich so einfach mit dem christlichen Fest vereinbaren, allem voran der Weihnachtsmann.
"Der war ja ursprünglich mal der Nikolaus, das war ein Heiliger", meint Schoch. "Das war ein Bischof. Aber der heutige Weihnachtsmann mit Rauschebart und mit rotem Gewand, das wissen ja wahrscheinlich die meisten, der ist ja eine Erfindung von Coca Cola, im übrigen auch eine sehr erfolgreiche Erfindung. Aber das hat mit Weihnachten tatsächlich nicht so furchtbar viel zu tun."
Auch wenn das Farbschema von Coca Cola kommen soll, gibt es noch andere Einflüsse. Von Skandinavien bis in die Türkei lässt sich die Mythologie des Weihnachtsmanns zurückverfolgen. Dr. Bürkert erläutert.
"Und dann gibt es Figuren wie Väterchen Frost, das kommt aus den russischen oder aus den osteuropäischen Gebieten. Und der ist eher so eisblau angezogen und hat auch schon diesen weißen langen Wallebart. Und aus diesen verschiedenen Figuren, Nikolaus, Väterchen Frost, hat sich irgendwann eine Figur des Weihnachtsmanns entwickelt."
Der Prälat ist nicht der erste Christ, der sich mit dem Weihnachtsmann schwer tut. Doch die Tradition des Schenkens ist beliebt und war schon immer eng mit Weihnachten verbunden. So entstand eine Alternative: Dass das Christkind selbst die Geschenke zu den Kindern bringt.
"Diese Tradition geht im übrigen auf Martin Luther zurück", zeigt Schoch auf. "Denn für ihn war es wichtig, die Geschenke nicht einem Heiligen zuzuschreiben, sondern der Hauptperson, um die es bei Weihnachten geht, Christus, der auf diese Welt gekommen ist."
International konnte das Christkind aber nicht Fuß fassen. Auch als protestantische Alternative zum katholischen Nikolaus ist sein Erfolg fragwürdig, wie Dr. Bürkert aufzeigt.
"Man hat in den 1930er Jahren mal eine große Untersuchung gemacht, das hieß Atlas der Volkskunde, und man hat tatsächlich gefragt: In welchen Regionen kommt zu den Kindern denn das Christkind und in welchen Regionen der Weihnachtsmann. Und es sind die süddeutschen, typischerweise katholischen Regionen, wo das Christkind kommt und eher norddeutschen, typischerweise protestantischen Regionen, wo der Weihnachtsmann kommt."
Weihnachten ist ein Fest der Traditionen. Es aktiv zu verändern war nie einfach, zumindest vor den modernen Massenmedien. Hollywood-Filme, Schokoladenwerbung und der Coca Cola-Truck haben den Weihnachtsmann zum internationalen Star gemacht. Doch auch er lässt sich auf historische, kulturell behaftete Ursprünge zurückführen. Irgendwo braucht es für die Feiertage das Altbewährte. Kein Wunder dann, dass die Kirche so viel Vorchristliches ins Weihnachtsfest eingeladen hat.