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Facebook darf nicht alles einfach löschen: Bundesgerichtshof entscheidet über abfällige Bemerkungen

Facebook darf abfällige Kommentare nicht einfach löschen. Mindestens im Nachhinein muss dem Nutzer die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werden. Auch Nutzerkonten dürfen nicht ohne weiteres gesperrt werden. Hier muss dem Nutzer vorher Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt werden. Nach Erhalt der Stellungnahme muss facebook jeweils neu entscheiden. So könnte man das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs zusammenfassen. Lesen Sie hier die Hintergründe!

Geklagt hatte ein Nutzer, der zwei abfällige, pauschalisierende Bemerkungen über Migranten auf facebook veröffentlicht hatte. Facebook hatte daraufhin die Beiträge als "Hassrede" eingestuft und  gelöscht. Auch das Nutzerkonto wurde gesperrt. Dagegen hatte der facebook-Nutzer erfolgreich geklagt.

Der Bundesgerichtshof urteilte: Zwar dürfe facebook seine Nutzungsbedingungen enger fassen, als das, was strafrechtlich verboten sei. Es gelte aber immer, die Meinungsfreiheit des Nutzers gegen die Berufsfreiheit von facebook abzuwägen. Im vorliegenden Fall überwiege aber die Meinungsfreiheit. 

Facebook wurde dazu verurteilt, die gelöschten Beiträge wieder freizuschalten. Außerdem wurde facebook untersagt, die Beiträge anschließend wieder zu löschen und den Nutzer deswegen erneut zu sperren.

In seinem Urteil gibt der Bundesgerichtshof facebook außerdem vor, wie facebook zukünftig beim Löschen von Beiträgen oder beim Sperren von Nutzerkonten vorzugehen habe:

Falls facebook einen Beitrag löscht, muss der Nutzer mindestens nachträglich über die Löschung informiert werden. Dabei muss facebook dem Nutzer die Gelegenheit geben, sich zu der vorgenommenen Löschung zu äußern. Anschließend muss facebook- unter Berücksichtigung der Äußerungen des Nutzers - nochmals neu über die Löschung entscheiden.

Falls facebook ein Nutzerkonto sperren will, muss der Nutzer bereits zuvor über die Sperrabsicht informiert werden. Auch hier muss der Nutzer Gelegenheit erhalten, sich zu der beabsichtigten Sperre zu äußern. Erst dann darf facebook - unter Berücksichtigung der Äußerung des Nutzers - über eine Sperre des Nutzerkontos entscheiden.

Der Medienplattform Meedia zufolge begrüßte facebook, dass es dem Urteil zufolge grundsätzlich berechtigt sei, Nutzerkonten zu sperren und über das Entfernen von Beiträgen nach eigenen Richtlinien zu entscheiden: „Wir tolerieren keine Hassrede und setzen uns dafür ein, unzulässige Inhalte von Facebook zu entfernen", zitiert Meedia einen facebook-Sprecher. Das Urteil werde man „sorgfältig prüfen, um sicherzustellen, dass wir weiterhin effektiv gegen Hassrede in Deutschland vorgehen können".

Im Detail:

Mit dem Urteil vom 29. Juli 2021 - III ZR 179/20 und III ZR 192/20 hat der  III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs "entschieden, dass die Geschäftsbedingungen von Facebook vom 19. April 2018 zur Löschung von Nutzerbeiträgen und Kontensperrung bei Verstößen gegen die in den Bedingungen festgelegten Kommunikationsstandards unwirksam sind."

Dies gelte jedenfalls, "weil sich die beklagte Anbieterin nicht gleichzeitig dazu verpflichtet, den Nutzer über die Entfernung seines Beitrags zumindest nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen."

Weiter heißt es: "Wurde aufgrund der unwirksamen Geschäftsbedingungen der Beitrag eines Nutzers gelöscht und dessen Konto vorübergehend mit einer Teilsperrung belegt, hat der Nutzer einen Anspruch auf Freischaltung des gelöschten Beitrags und gegebenenfalls auch auf Unterlassung einer erneuten Kontosperrung und Löschung des Beitrags bei dessen erneuter Einstellung."

Zum Verweis von facebook auf seine Nutzungsbedingungen, urteilte der BGH:

"Bei der Prüfung, ob eine Klausel unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist, bedarf es einer umfassenden Würdigung und Abwägung der wechselseitigen Interessen. Dabei sind vorliegend die kollidierenden Grundrechte der Parteien - auf Seiten der Nutzer die Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, auf Seiten der Beklagten vor allem die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG - zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden. Diese Abwägung ergibt, dass die Beklagte grundsätzlich berechtigt ist, den Nutzern ihres Netzwerks die Einhaltung bestimmter Kommunikationsstandards vorzugeben, die über die strafrechtlichen Vorgaben (z.B. Beleidigung, Verleumdung oder Volksverhetzung) hinausgehen. Sie darf sich das Recht vorbehalten, bei Verstoß gegen die Kommunikationsstandards Beiträge zu entfernen und das betreffende Nutzerkonto zu sperren. Für einen interessengerechten Ausgleich der kollidierenden Grundrechte und damit die Wahrung der Angemessenheit im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist jedoch erforderlich, dass sich die Beklagte in ihren Geschäftsbedingungen verpflichtet, den betreffenden Nutzer über die Entfernung eines Beitrags zumindest nachträglich und über eine beabsichtigte Sperrung seines Nutzerkontos vorab zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt."

Diesen Anforderungen werden, heißt es in dem Urteil weiter, "die Entfernungs- und Sperrungsvorbehalte in den Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht gerecht. Die Beklagte war daher nicht berechtigt, die Beiträge der Kläger zu löschen und ihre Nutzerkonten zu sperren. Sie muss die Beiträge wiederherstellen und hat eine Sperrung der Nutzerkonten und Löschung der Beiträge bei deren erneuter Einstellung zu unterlassen." 

Quelle: PM Bundesgerichtshof


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