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Reutlingen / Nürtingen

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Zu wenig Erntehelfer - Erdbeeren verderben auf den Feldern: FDP gegen Abschaffung der "70-Tage-Regelung"

Die Bundes-FDP spricht sich gegen die von der Bundesregierung geplante Abschaffung der sogenannten "70 Tage-Regelung für geringfügig Beschäftigte" aus. Dies würde den bereits bestehenden Arbeitskräftemangel bei den Erntehelfern verschärfen und zu deutlichen Preissteigerungen für die Verbraucher führen. Die FDP-Fraktion bereitet derzeit einen Antrag vor, der für die Entfristung der 70 Tage-Regelung eintritt. Kober ist einer der Initiatoren.

Ortstermin auf dem Ort- und Gemüsebaubetrieb Rammerthof in Nürtigen. Gekommen waren die Esslinger Bundestagsabgeordnete Renata Alt zusammen mit dem sozialpolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Pascal Kober (Reutlingen) und dem Geschäftsführer des Verbands Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer e.V. Simon Schumacher.

Genügend Erntehelfer, damit die Ernte eingebracht werden kann und nicht auf den Feldern verfault. Passende arbeitsgesetzliche Rahmenbedingungen, damit die Verkaufspreise nicht massiv ansteigen. Diese Themen treiben Geschäftsführer Gudo Henzler um. Und nicht nur ihn: Auch seine Kollegen, die im Verband süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer e.V. zusammengeschlossen sind.

Das Problem: Bereits jetzt herrscht massiver Arbeitskräftemangel bei den Erntehelfern. Viele Osteuropäer, die früher während der Erntesaison gekommen sind, bleiben weg. Jetzt sollen die Bedingungen für die Saisonarbeiter nochmals verschärft werden. Denn die sogenannte "70 Tage-Regelung für geringfügig Beschäftigte" soll nach dem Willen der großen Koalition auslaufen und nicht mehr verlängert werden.  Dies würde, da sind sich Henzler, die FDP-Bundestagabgeordneten und der Verband einig, den bereits bestehenden Arbeitskräftemangel bei den Erntehelfern verschärfen. Und zu deutlichen Preissteigerungen für die Verbraucher führen. 

Die "70 Tage-Regelung": Für die Anbaubetriebe und ihre Saisonarbeiter spielt es eine große Rolle, wie lange Erntehelfer jedes Jahr als sogenannte kurzfristige Beschäftigte angestellt werden dürfen. Früher 50 Arbeitstage im Jahr. Nach der Einführung des Mindestlohn wurde der erlaubte Zeitraum vorübergehend auf 70 Arbeitstage erhöht. Und genau das ist aus Sicht der Betroffenen der Knackpunkt: "Denn eine Erntesaison umfasst zumeist deutlich mehr als 50 Tage", schreibt die FDP in einer Presseinfo: 

"Mit der Einführung des Mindestlohns ab dem 1. Januar 2015 wurde auch die Höchstgrenze für kurzfristige Beschäftigung angehoben, erläutert die FDP in einer Pressemitteilung: "Bis 2014 galt, dass ein Arbeitnehmer maximal 50 Tage pro Jahr (bzw. 2 Monate bei einer 5 Tage-Woche) als kurzfristig Beschäftigter arbeiten durfte. Mit dem Mindestlohn wurde die Grenze auf 70 Tage (bzw. 3 Monate bei einer 5 Tage-Woche) angehoben." 

Diese Regelung gelte bis zum 01.01.2019 und solle nach dem Willen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil nicht verlängert werden. Grund für die Einführung der 70 Tage-Regelung sei es gewesen, die Einstellungs- und Arbeitsbedingungen für kurzfristig Beschäftigte zu erleichtern. Und: Zu den kurzfristig Beschäftigten gehören auch Saisonarbeiter, die zum Beispiel als Erntehelfer im Einsatz sind. 

Das sieht auch Simon Schuhmacher so.  Schon dieses Jahr gab es erhebliche Probleme: Damit es über einen längeren Zeitraum Erdbeeren gibt, wird ein Teil der Kultur geschützt angebaut, so dass diese schon früher reif und auf dem Markt verfügbar sind. Weil es in den letzten Monaten aber so überdurchschnittlich warm war, seien auch die ungeschützt angebauten Erdbeeren früher reif geworden - zusammen mit den geschützten. Dadurch waren gleichzeitig so viele Erdbeeren reif, dass manche Felder "aus der Ernte" genommen werden mussten - Sprich: Die Erdbeeren konnten mangels Erntehelfern gar nicht geerntet werden, sondern verdarben auf den Feldern.

Denn: Die Arbeitsspitzen konnten durch den Mangel an Erntehelferinnen und -helfern weder aufgefangen noch abgefedert werden. Tendenziell bestand bei vielen Betrieben Personalnot. „Diese wird sich auch in Zukunft verschärfen", erklärte VSSE-Vorstandssprecher Simon Schumacher, „denn in Polen und Rumänien läuft es wirtschaftlich besser, und zusätzlich konkurrieren die Erdbeeranbauer mit Arbeitsangeboten anderer Branchen, die körperlich weniger anstrengend sind und teilweise auch eine berufliche Perspektive bieten. Deswegen ist es wichtig, dass man den Zugang zu Arbeitskräften aus dem Westbalkan verbessert und aus der Ukraine ermöglicht und zudem die 3-Monate- bzw. 70-Tage-Regelung für die sozialversicherungsfreie, kurzfristige Beschäftigung beibehält."

Sollte diese Regelung wieder auf zwei Monate reduziert werden, würde das für Betriebe deutlich mehr Kosten verursachen und das Risiko des Erntehelfermangels erhöhen. Denn die meisten Betriebe benötigen drei Monate lang Saisonarbeitskräfte, und Erntehelfer ziehen es vor, drei Monate lang den Lohn ohne Abzüge der Sozialversicherung zu erhalten. Zudem profitieren Erntehelferinnen und Erntehelfer nur gering von den Sozialversicherungsbeiträgen, da beispielsweise die Rentenanwartschaft bei fünf Jahren, hochgerechnet bei dreimonatiger Beschäftigung pro Jahr bei 20 Jahren, liegt, und die Rente mit rund 2,50 Euro monatlich sehr gering ausfällt.

Ein Auslaufen der 70-Tages-Regelung würde aber nicht nur Henzler und seine Kollegen, sondern auch die Endverbraucher hart treffen: Von Rottenburg bis Göppingen, von Esslingen bis Urach betreibt Henzlers Betrieb Verkaufsstände, beispielsweise an Tankstellen und vor Gartencentern. Dazu noch ein Hofladen. Spargel, Erdbeeren, Himbeeren, Kürbisse und Süßkirschen stehen auf den Feldern. Weitere Produkte kauft Henzler bei ausgewählten regionalen Lieferanten zu.

Außerhalb der Saison sind rund 10 Mitarbeiter in Vollzeit im Henzlers Betrieb angestellt.Während der Erntesaison werden aber bis zu 250 Erntehelfer benötigt, um die Ernte von den Feldern zu holen. Ein hoher Kostenfaktor für die Anbaubetriebe.Die Verkaufspreise der Direktvermarkter sind schon jetzt nicht billig - im Vergleich zur weltweit importierten Supermarkt-Ware. Eine weitere Erhöhung der Kosten - und damit der Preise - könnte zu Umsatzeinbrüchen führen - und könnte deshalb wirtschaftlich problematisch für viele regionalen Anbaubetriebe werden.

Die FDP-Fraktion im Bundestag wird in dieser Sache nun aktiv: Sie bereite derzeit einen Antrag vor, der für die Entfristung der 70 Tage-Regelung eintritt. Der Reutlinger Bundestagsabgeordnete Pascal Kober ist einer der Initiatoren.

Quelle: Recherche / PM FDP / PM VSSE

Stand: 18.08.2018-11:36


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