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Deutschland

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Bundestagswahl: schallende Ohrfeigen für Union und SPD. FDP über 10%. AfD drittstärkste Kraft.

Dramatischen Absturz der Regierungsparteien bei der Bundestagswahl 2017: Union und SPD brechen auf breiter Front ein. Die Union erreicht 33%. Damit verliert die Union über 8% und damit jeden fünfte Wähler. Die SPD kann sich knapp über 20% halten und erreicht 20,5%. Sie verliert um die 5% und damit ebenfalls jeden fünften Wähler. Die FDP kehrt mit 10,7% in den Bundestag zurück. Die AfD kommt aus dem Stand auf 12,7%. Grüne (8,9%) und Linke (9,2%) verbessern sich leicht. Die Sonstigen erreichen 5%. Mit 75% war die Wahlbeteiligung deutlich höher als im Jahr 2013 (71,4%).

Frenetischer Jubel für das schlechteste CDU-Ergebnis

Frenetischer Jubel schlägt Angela Merkel bei ihrem Auftritt am Wahlabend entgegen. Zu Zeiten von Altkanzler Helmut Kohl hätte der Jubel wohl dem Erreichen der absoluten Mehrheit gegolten. Heute jubelt die Union nebst Kanzlerin allein darüber, dass sie trotz dramatischer Verluste wenigstens zwei Minimal-Wahlziele erreicht hat. Groß muss hinter den Kulissen die Befürchtung gewesen sein, selbst diese Wahlziele nicht zu erreichen: "Wir haben den Auftrag, eine Regierung zu bilden. Und gegen uns kann keine Regierung gebildet werden." Wohl war. Die Tatsache, dass die Union mit 33% das schlechteste Ergebnis seit 1949 erreicht hat, tritt dagegen offenbar in den Hintergrund.

Der SPD-Kanzlerkandidat lächelt taper

Währenddessen lächelt SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz tapfer in die Kameras, bedankt sich bei allen denen, die die SPD trotzdem gewählt haben. Und die immerhin gerade noch verhindert haben, dass die SPD mit 20,8% die hochnotpeinliche 20% Grenze nach unten durchstoßen hat. Und bei den Wahlkampfhelfern, die so unermüdlich wie nie unterwegs gewesen seien. Arbeitsministerin Nahles, die bekanntlich stolz darauf ist, dem Bundesbürger eine hohe zweistellige Zahl an neuen Gesetzen und Vorschriften geschenkt zu haben, flankiert den gescheiterten Kanzlerkandidaten mit versteinertem, breiten Betonlächeln. Sie denkt wohl schon an den SPD-Fraktionsvorsitz, den sie im neuen Bundestag übernehmen will. Vielleicht auch muss. Von Noch-SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wird man einige Tage später erfahren: Das Ergebnis ist auch das "Aus" für eine weitere Große Koalition. Dafür hatte man sich die 23%, welche die SPD 2009 erreicht hat, als Rote Linie gesetzt.

FDP- "Partei der Freiheit" ist zurück

Die letzte Legislaturperiode sei die erste und zugleich die letzte ohne FDP gewesen, freut sich FDP-Spitzenkandidat Lindner über gut 10,7%. Eine Partei der Freiheit sei wieder in den Bundestag zurückgekehrt. Die FDP-Politiker, die Lindner umrahmen, strahlen und jubeln.

Die Hoffnung vieler Demokraten, dass die FDP vor den Randparteien LINKE und AFD drittstärkste Kraft - und damit möglicherweise Oppositionsführer - werden würde, hat sich - mit 2% Abstand zur AfD - allerdings nicht erfüllt.

Jetzt müssen in Berlin parlamentarische Strukturen wiederaufgebaut werden, die es in den vergangenen Jahren nicht mehr gab. Das soll schnell geschehen. Schon am Tag nach der Bundestagswahl soll sich die FDP-Bundestags-Fraktion konstituieren. Erst mal, wie sich das gehört, mit dem Namenszusatz "in Gründung".

Kretschmann hatte es den GRÜNEN ziemlich genau vorausgesagt

Von den GRÜNEN nimmt Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann Stellung. Der ARD sagt er auf Nachfrage, man stehe für Koalitionsgespräche bereit. Freilich wolle man nicht schon vorab über Inhalte reden. Wir erinnern uns. Kretschmann hatte auf dem letzten GRÜNEN-Parteitag geschäumt - eine Videokamera hatte seinen Zornesausbruch unbeabsichtigt - oder auch beabsichtigt - mitgeschnitten: Wenn Ihr nur 8% haben wollt, grantelte Kretschmann sinngemäß, dann müßt Ihr bloß den Verbrennungsmotor verbieten. So ist es jetzt auch (fast) gekommen: Mit 8,9%. Trotz allem: Das zweitbeste Bundestagswahl-Ergebnis überhaupt.

"durch und durch rechtsradikal" - AfD wird drittstärkste Kraft

Die AfD, die von FORSA-Chef  Manfred Güllner unlängst "als durch und durch rechtsradikal" bezeichnet wurde, freut sich über den Einzug in den Bundestag als "drittstärkste Kraft". Ein Grund mehr für die SPD, jetzt in die Opposition zu gehen. Sonst würde man die Oppositionsführerschaft ja dem rechten Rand überlassen.

"Wir werden Sie jagen", drohte AfD-Chef Gauland derweil in Richtung der anderen Parteien:"Frau Merkel oder wen auch immer." Und: "Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen." Und wusste noch nicht, das seine Vorstandskollegin Petry wegen solcher Äußerung kein Mitglied der neuen AfD-Fraktion sein will. DAs gab Petry erst am Folgetag auf einer AfD-Pressekonferenz bekannt.

GRÜNEN-Chef Özdemir sagte der AfD derweil in der ARD den Kampf an: Einer Partei, deren Loyalität zu [Russlands Autokraten] Putin größer sei als zum eigenen Land, Deutschland.

Fleissig hatte sich die AfD vor der Wahl um die Russlanddeutschen bemüht: Medienberichten zufolge auch mit russischsprachigen Wahlkampf-Unterlagen. Flankiert vom staatlich finanzierten, russischen Propaganda-TV-Sender "RT Deutsch". Der hatte Medienberichten zufolge die AFD überdurchschnittlich und stets mit positivem Tenor in der Berichterstattung.

Über 12% erreicht die AfD im Süden und Südwesten, in Bayern und Baden-Württemberg. Gewaltige 21,5% erreichte die AfD im Osten, im Gebiet der ehemaligen DDR. In Sachsen überflügelt die AfD sogar die CDU und wird mit hauchdünnem Vorsprung stärkste Kraft.Die Bevölkerung dort im Osten, so war in diversen Analysen der letzten Tage und Wochen zu lesen, sei wohl aufgrund der totalitären DDR-Geschichte auch deutlich empfänglicher für radikale Parteien und deren Gedanken.

LINKE - "Umbenannte SED" hält ihre Ergebnis

Könnte das auch das starke Abschneiden der Linken im Osten erklären? Neben der Tatsache, dass der erhebliche Anteil früherer DDR-Nutznießer im Osten recht hoch ist? Also diejenige Klientel, die in Partei- und Staatsapparat der untergegangenen DDR beschäftigt und versorgt waren. Und seither die LINKE wählt?

Hinter der LINKEN verbirgt sich laut DDR-Bürgerrechtler und Liedermacher Wolf Biermann heute "materiell und geistig [immer] noch" die SED: "auch juristisch – nur flott umbenannt." Die damals totalitäre DDR-Regierungs- und Unrechtspartei, die so viel Leid über die Menschen der DDR brachte. Die LINKEN konnten ihr Ergebnis immerhin minimal verbessern. Sie liegen bei 9,2%.

Ein Fünftel der Deutschen wählt radikale Randparteien

Zusammen wählten über ein Fünftel der Deutschen Randparteien vom rechten oder linken Rand. Die stünden sich, so sagt es das "Hufeisenmodell" aus, in ihrer Radikalität sowieso näher als man denke. 

So tröstet sich der Hessische CDU-Ministerpräsident Bouffier denn auch mit entsprechenden, einschlägigen Analysen:  Die meisten AfD-Wähler hätten die Rechtspartei "nicht aus Überzeugung, sondern als Denkzettel" gewählt.

Keine (kleine) GroKo? Oder ein (fast) ebenso starkes Jamaika-Bündnis?

Welche Koalition solls denn nun werden? In Frage kommen nur die gute alte GroKo, die große Koalition zwischen Union und SPD. Oder die Jamaika-Koalition zwischen Union, FDP und Grünen, die man der Einfachheit halber doch in Zukunft auch - so unser Vorschlag - einfach als JAM-Koalition abkürzen könnte.. Interessanterweise würden beide Koalitionsvarianten im neuen Bundestag in etwa den gleichen Stimmenanteil erreichen.

SPD-Kanzlerkandidat Schulz zog unverzüglich die - wohl schon vorbereiteten - Konsequenzen: Die Koalition mit der Union sei beendet, erklärte er unter heftigem Jubel seiner Anhänger.

"Diese Regierung ist abgewählt", sagte Martin Schulz denn auch zur Kanzlerin in der ARD-Runde: "Und Sie sind die stärkste Verliererin". Merkels Appell an die Verantwortung der SPD für eine neue Regierungsbeteiligung sei schon "ein starkes Stück." . Er, Schulz, habe Merkel seinerzeit angerufen, und ihr die Loyalität der SPD bis zum letzten Tag der Legislaturperiode versichert. Aber keinen Tag mehr.

Ursachenforschung bei der CSU

Die Ursachenforschung beginnt: CSU-Chef Seehofer geht davon aus, dass die Union die rechte Seite vernachlässigt habe. Das passt ganz gut zu den Eindrücken vieler jetziger und ehemaliger CDU-Mitglieder, die der Merkel-CDU einen "Linksruck" und eine "Sozialdemokratisierung" bescheinigen. Ob dafür vor zwei Legislaturperioden eine Rolle gespielt hat, dass die SPD gut 2 Millionen Wähler an das Lager der Nichtwähler verloren hat, die Union aber nur gut 1 Million? Könnte die Überlegung für die CDU damals gewesen sein, im zwei-Millionen-Teich fische es sich ertragreicher als im ein-Millionen-Teich?

Weshalb auch immer. Jetzt gehe es darum, so Seehofer, "eine offene Flanke" zu schließen, die man "auf der rechten Seite" hatte. Das gehe "mit klarer Kante und klaren politischen Positionen." 

Ganz anders sieht es allerdings der bisherige CDU-Innenminister Thomas de Maiziére: Der Wähler habe. sinngemäß salopp wiedergegeben, nicht so recht kapiert, was Sache ist.

Wandernde Wähler

Wie immer, sind auch bei dieser Wahl viele Wähler fleissig gewandert: Nicht nur zu den Wahllokalen, sondern auch zwischen den Parteien. Auch hier der Focus auf der AfD: Woher kamen die über 13 Stimmenprozente?

1,1 Millionen bisherige Nichtwähler konnte die AfD für sich verbuchen, so BILD.de.  Von der CDU wechselten 1,05 Millionen Wähler zur AfD. Von der SPD 470.000. Von den Linken 400.000. Und von der FDP 40.000.

Vorläufiges amtliches Endergebnis

CDU 26,8 %  (2013: 34,1 %)

SPD 20,5 %  (2013: 25,7 %)

AfD 12,6 %  (2013: 4,7 %)

FDP 10,7 %  (2013: 4,8 %)

DIE LINKE 9,2 %  (2013: 8,6 %)

GRÜNE 8,9 %  (2013: 8,4 %)

CSU 6,2 %  (2013: 7,4 %)

Sonstige 5,0 %  (2013: 6,2 %).

 

Der neue Bundestag - So groß wie niemals zuvor

Der neue Bundestag umfasst 709 Abgeordnete. Er damit so griß wie noch nie zuvor. Die Sitzverteilung:

CDU/CSU: 246 Sitze

SPD: 153 Sitze

AfD: 94 Sitze

FDP: 80 Sitze

Linke: 69 Sitze

Grüne: 67 Sitze.

Dieser Artikel wird fortlaufend ergänzt und fortgeschrieben.

Stand: 25.09.2017 - 09:48 Uhr. / 29.09.2017-10:17

 


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